index  

Franz X.M. Lugmayer bei Mr. Book Steyr

found by
www.misterbook.at
Auszug aus: "EISEN- UND STAHLSCHNITT" - Der Eisenschnitt von der Antike bis zum Verfall Ende des 18. Jahrhunderts und die Wiederbelebung der Stahlschnittkunst in unserer Zeit - Franz X.M. Lugmayer - OÖ Landesverlag, Linz, 1959

(Seiten 65-67, Bild Nr. 95, 98)



Akad. Metallplastiker Hans Angerbauer
  Hans Angerbauer wurde am 12. April 1929 in Steyr geboren. Dort besuchte er von 1943 bis 1947 die Bundesgewerbeschule, Abteilung Metallkunstgewerbe und Stahlschnitt (Prof. Gerstmayr). An der Akademie für angewandte Kunst in Wien (1947-1950) war Prof. E. Mayer sein Lehrer (Q 19).
  Als Diplomarbeit entstand für den damaligen Bürgermeister der Stadt Steyr, Herrn Ing. Leopold Steinbrecher, eine Ehrenkette in Stahl. Auf der Rückseite einer Kettenplatte ist folgende Widmung eingraviert: dem verdienten Vorsitzenden der Verwaltungskommission gewidmet zum 65. Geburtstag von der Sparkasse Steyr, 12.8.1951. Die Kette hat neun Glieder mit 6,5 cm Länge. In neun Platten (3,5 cm x 4 cm) sind die Namen der Bürgermeister von Steyr seit dem Jahr 1500 eingraviert (Bild 95). Der Anhänger zeigt in Stahlschnittausführung das Wappen von Steyr (Panther).
  Bügermeisterkette Steyr - von Hanns Angerbauer -  Franz XM Lugmayer Bild 95

 

 

  Diese Stahlschnittkette allein würde dem künstlerischen Schaffen Angerbauers in der Gegenwart nicht gerecht werden.
  Als Beispiel für sein Können soll uns hier eine Schnittarbeit in Messing dienen. In idealer Zusammenarbeit mit seinem Bruder, (Anm.: Karl Angerbauer) der ihm als theologischer Berater zur Seite stand, schuf der junge Künstler das Tabernakel im oberösterreichischen Gampern. Wir folgen hier einer Darstellung in der Zeitschrift "Der große Entschluß" (Q 19):
  "Im Zuge der Restaurierung des berühmten gotischen Flügelaltars (der ja ursprünglich kein Tabernakel hatte, da früher das Allerheiligste im Sakramentshäuschen aufbewahrt wurde) galt es, das unglückliche neugotische Tabernakel zu ersetzen. Der Wille zur Echtheit entschied zugunsten eines moderneren Werkes. Indem der Künstler, analog zum Altarschrein, dem Tabernakel die Gestalt eines Schreins gab und seine Vorderseite, analog zu den Flügeltüren des Altarschreines, in sechzehn Relieffelder auflöste, wobei er die Auflösung noch durch die leicht gewölbte Fläche der Rückwand und die zwischen den Feldern tiefliegenden Profile unterstrich, gelang ihm eine Gesamtkomposition, die den Altar und das neue Tabernakel als eine fast ornamentale Einheit erscheinen läßt. Der eiserne Schrank ist an den Seiten und an der Rückwand mit einer glatten versilberten Messingwand verkleidet. Die Tabernakeltüren sind als geschlossene Reliefwand gestaltet. Die zwölf Reliefs sind Kupfertreibarbeiten, deren Vergoldung entsprechend dem Grundton des Materials eine rötliche Tönung erhielt; die leicht gewölbte Rückfläche ist aus Messing und mehr ins Gelbe vergoldet; die vier Mittelfelder (Bild 98) mit den Cherubim sind in Gravurtechnik gearbeitet. Der Zusammenklang dieser drei Techniken und die verschiedenen Variationen der Goldfarbe sind für den formalen Reiz des Tabernakels bestimmend. Die goldschmiedische Schmucktechnik fand Verwendung beim Fassen der neun Amethysten, die jedes der vier Mittelfelder begrenzen.
  Tabernakel Kirche Gampern - Cherubim - Johann Angerbauer Bild 98

 

 

  Diese vier Mittelfelder tragen als eucharistisches Symbol vier Cherubim, die vor dem Throne Gottes stehen und eine Eigenschaft Gottes, die auch ein besonderes Merkmal der Eucharistie ist, versinnbilden: seine Verborgenheit und Undurchdringlichkeit, die ja die besondere Prüfung des Glaubens an die reale Gegenwart des Herrn unter den Gestalten von Brot und Wein ist. Andererseits warnt die Herrlichkeit der Cherubim vor der Verharmlosung, die in der Gewöhnung eben an die Verborgenheit unter diesen Gestalten liegt. Die Darstellung dieser Geistwesen, die den eucharistischen Gott anbetend mit ihren flachen Flügeln verbergen, ist von der Symbolkraft der Geheimen Offenbarung inspiriert: Das menschenähnliche Antlitz versinnbildlicht ihre hohe Intelligenz, das Kreisrund des Heiligenscheines ihre unverlierbare Gotteskindschaft, die sich Gott gänzlich unterwirft, und die sechs in drei verschiedenen Gravurtechniken ausgeführten Flügel, die den Eindruck einer ungeheuer schnellen Bewegung erwecken, deuten auf ihre Natur der reinen Geister.
Um diese anbetenden Cherubim ordnet das Kraftfeld der Eucharistie die zwölf Apostel, die hier nicht als Abendmahlgemeinschaft gedacht sind, sondern in der für jeden persönlichen Begegnung mit dem eucharistischen Herrn nach seiner Himmelfahrt. Die Majestas Domini hat sie in die Knie gedrückt, und sie haben selbst ihre Füße entblößt, denn hier ist heiliges Land (Ex 3,5). - Ob seiner Ausdruckskraft auf dem Gebiet der eucharistischen Symbolik wollten wir dieses jüngste Kunstwerk besonders würdigen". Zu dem Satz: " Das menschenähnliche Antlitz versinnbildlicht ihre hohe Intelligenz," ... sind einige Erklärungen notwendig. "Mit dem Begriff des Erkennens steht eine Reihe Ausdrücke in enger Beziehung: Verstand, Vernunft, Intellekt, Intelligenz. All diese Ausdrücke schwanken zwischen personaler und phänomenaler Bedeutung. Faßt man sie rein personal, so fallen sie mit dem Begriff des Erkennens zusammen. Faßt man sie phänomenal, so bezeichnen sie bestimmte Anlagen und Gestalten des Vorstellungslebens. Gewöhnlich werden die Bereiche vermischt (Q 47)."
  Abschließend wollen wir über das Schaffen des österreichischen Künstlers Hans Angerbauer das Urteil der angesehenen, kulturpolitischen Wochenschrift "Die österreichische Furche" anführen: "Besteht zwischen alter und moderner Kunst eine unüberbrückbare Kluft? Diese Frage hat der österreichische Künstler Hans Angerbauer auf seine Weise mit entschiedenen Nein beantwortet: für den gotischen Flügelaltar der Kirche in Gampern schuf Angerbauer ein modernes Tabernakel, das gerade, weil es jeden Kompromiß ablehnt und keine Anlehnung an einen historischen Stil sucht, sich mit dem alten Meisterwerk zu einer seltenen Harmonie verbindet (Q 24)."
  Ähnliche Würdigungen bringen die Zeitschriften "Das Münster"(Q 108), "La Rocca" (Q 82) und das "Goldsmedebladet" (Q 25)  
  Hanns Angerbauer im Atelier bei der Arbeit an sakralem Gerät  
  Buch "Eisen- und Stahlschnitt" Seiten 64 und 65 - Hanns Angerbauer  
 
 
  MATERIALIEN:  
  Werkstattfotos 1952/53. Johannes der Evangelist und die vier Cherubim.  
  Gampern Tabernakel, Werkstattfoto 1952, Johannes der Evangelist  Tabernakel Zentrum, Pfarrkirche Gampern, Vier Cherubim, Kraftfeld
Fotos 1952/53: Hanns Angerbauer
 
  "Das Münster" Cover 1955   "Das Münster" Kunstzeitschrift. Tabernakel der Pfarrkirche Gampervon Hanns Angerbauer  
  Links zur Kirche in Gampern:  
  http://www.gampern.at/system/web/zusatzseite.aspx?detailonr=151662814  
  https://www.dioezese-linz.at/gampern  
     
  Quellen:  
 

Q 19:  Der große Entschluß, Jg 10 Heft Oktober 1954, S. 24/25, von der eucharistischen „Armenbibel“.

 
  Q 24:   Die österreichische Furche, Jg 11 (1955) Nr. 2, S. 1, Harmonie zwischen Gotik und moderner Kunst.  
  Q 25:   Goldsmedebladet, 41. Argang (1957), Nr. 4 S. 43.  
  Q 47:   Lugmayer Karl, Philosophie der Person, Österreichischer Kulturverlag, Salzburg   1956, S. 191 – 197.  
  Q 82:   Strangfeld Georg Josef, Simbolisimo eucaristico. In: La Rocca, Anno XIII (1954), Nr. 20.  
  Q 108: Filliz Hermann, Die Skulptur im modernen Kirchenbau Österreichs. In: Das Münster, München, Jg. 8 (1955), Heft 3/4, S. 85  
     
Anmerkung: Die historische Bürgermeisterkette von Steyr scheint verschollen zu sein, siehe OÖN Berichte:
  30. Sept. 2015
http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/steyr/Buergermeisterkette-ist-verschollen-Altbuergermeister-befragt;art68,1987246
  8. Okt. 2015
http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/steyr/Das-Haus-verliert-nichts-Darauf-darf-Steyr-noch-hoffen;art68,1995245