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Interview von 1956 |
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Briefkuvert datiert mit 14.3.1956
Absender Dr. Erich Widder, Linz, O.Ö., Landstrasse
16/III
Durch Eilboten an Hanns Angerbauer, Pfarrgasse 3,
Steyr, O.Ö. |
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Besuch im Atelier Hanns Angerbauer, Steyr
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Sprecher:
A: Dr. Erich Widder
B: Hanns Angerbauer
C: Kaplan Karl Angerbauer |
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Goldschmiede Atelier Hannes Angerbauer 1956
Steyr, Pfarrgasse 3. Im Bild: Hanns Angerbauer
(all rights by Johannes Angerbauer
www.social.gold) |
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A: Für diesen ernsten Tag haben wir einen Besuch bei einem
Künstler gewählt, der mit Vorliebe an sakralen Werken arbeitet und
seiner Heimat in den letzten Jahren eine Reihe bedeutender Schöpfungen
geschenkt hat, die auch internationale Anerkennung gefunden haben. Hanns
Angerbauer ist in Steyr im eigenen Atelier für Gold- und
Silberschmiedearbeiten und Metallarbeiten tätig.
Auf dem Weg vom Stadtplatz in die steile Pfarrgasse öffnet sich linker
Hand ein kleiner Platz, auf dem sich in einem schlichten alten Haus das
Verkaufslokal des Ateliers befindet. Ein Blick durch das einladende
Schaufenster hat uns die zeitgemässe farbenfrohe Stimmung dieses Raumes
gezeigt. Wir wollten aber das Atelier besuchen und sind durch eine
Seitentüre in das Haus eingetreten, befanden uns dann in einem kleinen
Lichthof mit einem Brunnen und traten von hier in die kleine Werkstätte,
in den fensterlosen, von Neonröhren erhellten Raum, der sich gar nicht
mit den üblichen Vorstellungen von einem grossen lichtdurchfluteten
Atelier decken will. In dem Raum befinden sich grosse Werktische und
auch verschiedene Maschinen. Hier arbeiten Sie also, Herr Angerbauer? |
B: Ja, der Raum ist zwar eng und insoferne nicht
ideal, weil er nur mit künstlichem Licht erhellt wird, da ja die Wirkung
der Metalle bei Tageslicht wieder anders ist. Aber alle meine sakralen
Werke sind hier entstanden und ich möchte noch erwähnen, dass ich meine
Arbeiten durchwegs allein entwerfe und ausführe, es ist also kein
Werkstättenbetrieb. Die Maschinen dienen nur zur Vorbereitung des
Materials und zur Montagearbeiten, während alle plastischen Arbeiten
ausschliesslich durch Handarbeit geleistet werden, unter Verwendung von
Punzen und Meisseln. |
A: Auf den Wänden dieses Gewölbes sehe ich
verschiedene Skizzen angebracht, die sicher noch von Ihren früheren
Arbeiten stammen. Hier im Vordergrund ist scheinbar das Osterlamm
dargestellt, ist diese Arbeit schon ausgeführt oder erst ein neuer
Entwurf? |
B: Nein, das Werk ist schon ausgeführt und übrigens
erst vorige Woche in der neuen Kirche von Redl-Zipf montiert worden. Es
handelt sich um einen einfachen Karwochentabernakel für den linken
Seitenaltar der Kirche. Auf der Skizze ist die Vorderseite zu sehen, der
Tabernakel ist in dem Fall ja in die Wand eingelassen. Diese Vorderseite
besteht aus einer glatten vergoldeten Kupferplatte, auf die das
Osterlamm in Treibarbeit aufgesetzt ist. Das ist freilich nur eine
kleinere Ergänzung der Innenausstattung dieser Kirche. |
A: Sie haben ja alle künstlerischen Metallarbeiten für
diese Kirche geschaffen, Herr Angerbauer, nicht wahr? |
B: Die grösste Arbeit war wohl der Tabernakel für den
Hochaltar, ausserdem habe ich noch die zwölf Weihekreuze, verbunden mit
den Apostelberichten hergestellt, die Altarleuchter, das ewige Licht und
die Sakristeiglocke. |
A: Soviel ich mich erinnern kann, war Ihnen für die
Vorderseite des Hochaltartabernakels ein ganz bestimmtes und sicher
nicht einfach zu lösendes Thema gestellt. |
B: Ja, mein Bruder war zu dieser Zeit - die Einweihung
der Kirche von Redl-Zipf liegt ja erst ein halbes Jahr zurück - Kaplan
an diesem Ort und er wird ihnen sicher gern selbst über seine
Vorschläge, die er mir für meine Arbeiten gemacht hat, Auskunft geben. |
C: Dazu möchte ich gleich bemerken, dass auch das
Thema schon aus einer stetigen Fühlungnahme mit meinem Bruder entstanden
ist. Es war von vornherein an ein Relief gedacht, das selbstverständlich
eine starke thematische Beziehung zur Eucharistie haben sollte.
Eucharistische Symbole im üblichen Sinn wollte ich vermeiden, und auch
die gewählte Bibelstelle sollte es dem Künstler nur möglich machen, die
Stellungnahme des Menschen zur Eucharistie auszudrücken. Es ist die
Stelle aus dem Johannes-Evangelium, da Christus in der Synagoge von
Kapharnaum die Verheissung der Eucharistie gab, woraufhin ihn viele
seiner Jünger verliessen. Ich darf Ihnen vielleicht den Text vorlesen,
wie Christus auch die Apostel zur Entscheidung auffordert und in seinen
und der Apostel Worten dann auch die zwei Möglichkeiten der Entscheidung
angedeutet sind: „Und da fragte Jesus die Zwölf: „Wollt auch Ihr
weggehen?“ Simon Petrus antwortete: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du
hast Worte des ewigen Lebens.“ Jesus antwortete ihnen „Hab ich nicht
Euch, die Zwölf, auserwählt? Und doch ist einer von Euch ein Teufel.“ Er
meinte aber damit Judas aus Kariot, den dieser sollte an ihm zum
Verräter werde.“ Das Thema für den Künstler wurde dem gemäss formuliert:
Die Eucharistie als Scheidung der Geister. |
A: Dieses Thema war sicherlich nicht einfach zu lösen
mit so vielen Figuren und einer so diffizilen geistigen Aussage; hätte
Sie die Freundlichkeit, Herr Angerbauer, kurz den Weg der Ausführung
dieses Auftrages zu schildern! |
B: Das Thema hat eigentlich schon die Fülle der
Gestalten aufgegliedert in Christus, Petrus, Judas und die Gruppe der
übrigen Apostel. Es wäre jetzt noch zu erwähnen, dass für die formale
Lösung die Tatsache mitentschieden hat, dass es sich bei diesem Werk ja
um die Vorderseite eines Tabernakels handelt, wo notwendigerweise eine
Türe untergebracht werden musste. Ich bin dann zur Lösung gekommen auf
eine zweiflügelige Türe zu verzichten und nun den Grossteil der
Vorderseite als eine aufziehbare Klappe zu gestalten. Formal hat sich
dadurch die Möglichkeit ergeben, auf dem breiteren Mittelfeld die Gruppe
der unentschiedenen Apostel mit dem herauslösenden Petrus und auf den
beiden schmalen Seitenteilen, Christus rechts und Judas auf der linken
Seite darzustellen, diese beiden Figuren bleiben auch bei geöffneter Tür
sichtbar. |
A: Wie ich auf dem Lichtbild sehe, dass Sie mir von
der fertigen Arbeit vorgelegt haben, handelt es sich auch bei diesem
Werk um Ausdruckskunst aber in einer sehr klaren noch gegenständlichen
Form, die, ich möchte fast sagen, einen gewissen überzeitlichen
Charakter hat. Sicher wurde für dieses Werk auch ein kostbares Material
verwendet. |
B: Das Material war hier nicht vergoldetes Kupfer,
sondern Sterling Silber, also fast reines Silber. |
A: Jetzt wäre sicher interessant, zu erfahren, welchen
Prozess diese Platten durchmachen, bis auf dem fertigen Werk diese
Formen herauskommen. Handelt es sich hier wie beim Holzbildhauer um ein
Wegnehmen des Materials bis zur Gewinnung der Form oder ist es hier ein
Durchformen des Materials, bei dem nichts verloren geht. |
B: Wie Sie richtig bemerken, Herr Doktor, geht vom
Material nichts verloren, das Blech wird von der Rückseite gedehnt und
von der Vorderseite gestaucht. Das ist das Wesen der Treibarbeit. |
A: Das hört sich zwar sehr einfach an, ist aber sicher
mit viel Schwierigkeiten verbunden. |
B: Sicher, die Schwierigkeiten werden umso grösser, je
höher das Relief herauskommen soll. Das Relief des Zipfer Tabernakels
ist ein ausgesprochenes Hochrelief. Bei dem Mittelstück kam noch die
technische Schwierigkeit hinzu, dass es sich um eine verhältnismässig
grosse Fläche handelte, auf der zahlreiche Figuren aus einem einzigen
Blech getrieben werden mussten. |
A: Soviel ich weiss, stammt auch der Messkelch dieser
Kirche aus Ihrer Hand, Herr Angerbauer. Sicher handelt es sich auch hier
um eine Treibarbeit, zum Unterschied von handelsüblichen industriell
erzeugten Kelchen. |
B: Bei solchen Kelchen wird das Material auf eine
Holzform gedrückt, der Kelch nimmt dann genau die Form des Holzes an.
Bei handgearbeiteten Kelchen gibt der Künstler jedem Kelch seine eigene
Form während des ganzen Arbeitsprozesses und dadurch wird die Oberfläche
des Stückes weitaus lebendiger und materialgerechter in der Form. |
A: Manchen unserer Hörer wird Ihr Name, Herr
Angerbauer, wohl zum erstenmal in Zusammenhang mit dem Tabernakel einer
anderen Kirche bekannt geworden sein, als es darum ging, ein modernes
Werk in den prachtvollen spätgotischen Altar von Gampern einzubauen. |
B: Sicher war die Harmonie von Alt und Neu ohne
konkret formale Angleichung schon eine grosse Aufgabe, darüber hinaus
war vom Bundesdenkmalamt eine reiche Aufgliederung der
Tabernakel-Vorderseite in viele Felder gefordert. Dadurch war es nicht
leicht, die Plastiken auf den einzelnen Feldern formal und inhaltlich zu
einer Einheit zusammenzuschliessen. Das Thema war bei diesem Werk
„Menschen im Kraftfeld der Eucharistie“. Es war bei diesen Menschen an
die zwölf Apostel gedacht, die beim fertigen Werk um die vier Cherubime
gereiht sind. |
A: Die Darstellung der Cherubime weicht ja von Ihren
übrigen Treibarbeiten ab, sie erscheinen abstrakter und auch die Technik
ist eine andere. |
B: Während es sich bei den Aposteln wieder um
plastische Hochreliefs handelt, sind diese vier Mittelfelder mit den
Cherubim rein linienhaft gemeisselt und graviert. Die andere Technik hat
auch den Sinn, die umliegenden Reliefbilder rein formal auf das
Mittelfeld hinzuordnen, die auch noch durch Schmucksteine, durch 9
violette Amethyste in den Schnittpunkten betont werden. |
A: Dürfen wir Sie, Hochwürden, um Ihre Meinung über
diese abstrakten Gestaltungen der Engel befragen? |
C: Ohne Zweifel verbinden die meisten Gläubigen, wenn
sie das Wort Engel hören, damit die Vorstellung einer geschlechtslosen
Menschengestalt mit Flügeln. Doch sind auch diese gewohnten
Darstellungen nur ein Symbol der geistigen Engel und darum bereitet es
vom Standpunkt des Theologen aus keine Schwierigkeit, dass der Künstler
die Symbole neu formuliert hat: Die mehrgliedrigen Flügelpaare sind hier
ein wesentliches Darstellungselement für die geistige Beweglichkeit, das
menschenähnliche Antlitz deutet auf den Intellekt dieser Wesen, der das
Antlitz umschliessende Heiligenschein auf die unverlierbare
Gotteskindschaft, während die gefalteten Hände den Gott untergeordneten
Willen symbolisieren. Ungewöhnlich ist aber bei diesem Werk nicht nur
die Gestaltung der Engel, sondern auch die der knienden Apostel in den
Randfeldern. Für ihre Charakterisierung wurden die nicht allzu
zahlreichen konkreten Aussagen der Heiligen Schrift über die Apostel
ausgewertet. |
A: Jetzt haben wir aber noch eine Frage an den
Künstler. Sie haben vorhin von Schmucksteinen gesprochen, Herr
Angerbauer, die in diese Mittelfelder des Gamperer Altares eingesetzt
sind. Ihre Tätigkeit erstreckt sich wohl auch auf Goldschmiedearbeiten? |
B: Ja, die Schmuckherstellung ist meine
Hauptbeschäftigung und das wirtschaftliche Fundament meiner Tätigkeit
und dafür ist der Verkaufsraum notwendig, in den Sie vorhin einen Blick
geworfen haben. Bei diesen Arbeiten ist mir übrigens auch meine Frau
behilflich. Freilich sind die plastischen Arbeiten interessanter und
befriedigender. |
A: Sie sind ja noch sehr jung, Herr Angerbauer, wie
lange üben Sie Ihre Tätigkeit nun schon in Steyr aus? |
B: Vor 6 Jahren habe ich an der Akademie für
angewandte Kunst in Wien bei Professor Mayr das Diplom als akademischer
Metallplastiker erworben. Vor meinem Hochschulstudium habe ich hier in
Steyr die Abteilung Metallkunstgewerbe bei Professor Gerstmayr an der
Bundesgewerbeschule besucht. |
A: Ich danke Ihnen, dass Sie mir auf meine Fragen so
bereitwillig Auskunft erteilt haben und will Ihnen noch viel Erfolg für
Ihr künftiges Schaffen wünschen. |
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Anmerkung zu einer "Synchronizität":
Der vergilbte Brief mit 8 Seiten Schreibmaschinen Durchschlag, aus dem
Jahr 1956,
wurde am Pfingstsonntag, den 20.5.2018, unerwartet
"gefunden".
Ins Digitale getippt und im Web veröffentlicht am
Pfingstmontag, den 21.5.2018
Neben der Zeitarbeit Fundstelle, unter einem Nadelbaum, stand eine
Blechmülltonne.
In dieser Tonne brannten private Unterlagen vergangener familiärer
Zeiten.
Die Mülltonne - eine "Feuerschale" - trägt die Prägung "Stadt Hanau
1956". |
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JAG 2018-05-21 |
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Private Dokumente von Prof. Karl Angerbauer.
Foto: Johannes Angerbauer, 20. Mai 2018 |
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