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Eine Rede von Mag. Katrin Auer |
zur Enthüllung des Kristalltag Objekts in der Goldenen Rathauspassage Steyr: |
Sehr geehrte Damen und Herren! |
Geschätzte Ehrengäste! |
Wir sind heute Zeugen und ZeugInnen eines positiven historischen Ereignisses – der Enthüllung eines Kunstwerkes im öffentlichen Raum. Ermöglicht durch die Schenkung seines Erschaffers, durch den einhelligen politischen Willen und die Unterstützung vieler Helferinnen und Förderer. |
Gewidmet der Erinnerung für die Ewigkeit. |
Im Gedenken an ein verbrecherisches Ereignis, das der Auftakt noch monströserer Untaten war. |
Klirrendes Glas, geraubtes Gold, zerstörte Kultur, verfolgte Menschen,
vernichtete Existenzen.
Die Übergriffe und Gewalttaten gegen die Angehörigen und Besitztümer der
jüdischen Gemeinschaft im Zuge der Novemberpogrome des Jahres 1938 werfen
ein düsteres Licht auf unsere Vergangenheit. |
Sie waren ein weiterer Beweis und die nächste Stufe des antisemitischen Wahns, der auch in Österreich seit Jahrhunderten existierte. |
Ebenso wie die rassistischen Nürnberger Gesetze von 1935, die Enteignung jüdischen Besitzes und die Berufsverbote seit März 1938, die Demütigungen und Übergriffe in Form der „Straßenreib-Aktionen“ waren die Novemberpogrome Bausteine der Shoah, dem Genozid an der jüdischen Bevölkerung Europas durch die Nationalsozialisten. |
Im September 1938 schrieb die Steyrer Volksstimme: „Es dürfte der Tag nicht mehr allzu ferne sein, an welchem alle Söhne Israels, einerlei ob getauft oder ungetauft, restlos aus unserer Stadt verschwunden sein werden.“ |
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 werden im ganzen NS-Reich Pogrome gegen Juden und Jüdinnen von oberster Stelle inszeniert. Die Inszenierung trifft auf Wohlwollen und Mitwirkung in der Bevölkerung. Widerstand regt sich nicht. Spontane Solidarität gibt es in der Regel keine. Zerstörte Synagogen, geplünderte Besitztümer, brennende Häuser, verhaftete Juden und Jüdinnen, verzweifelte Opfer, triumphierende Täter, zufriedene ZuschauerInnen und eine schockierte Minderheit setzen sich zu unserem Bild zusammen. |
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Die Steyrer Nachrichten berichten über den 9. November 1938:
"Auch
in Steyr wurde die SS alarmiert und die Juden wurden von den schwarzen
Männern aus den Betten geholt. (…) Die in ihren Wohnungen angetroffen
wurden, wurden in die Polizeikaserne gebracht und dort angehalten, um
berechtigte Ausschreitungen der erbitterten Bevölkerung zu verhindern. Sie
wurden diesmal noch höflich behandelt. Aber bei einer Wiederholung könnten
wir keine Gewähr mehr dafür übernehmen. (…) Wer sich unbelehrbar uns
entgegenstellt, wird vernichtet.“ |
Die Steyrer Synagoge in der Bahnhofstraße wird vom Zerstörungswillen
verschont, da die Kultusgemeinde bereits im August 1938 enteignet und im
Oktober aufgelöst worden war. In zwei Verhaftungswellen werden 18 Steyrer
Juden und Jüdinnen, darunter auch drei Kinder, am 8. und 10. November
verhaftet, um eine Woche später wieder entlassen zu werden. |
Vertreibung, Ausgrenzung und Enteignung sind damals noch das
vorherrschende Ziel. Die Flucht nach Wien oder ins Ausland wurde von den
NS-Verfolgern noch angestrebt. |
Wir blicken heute zurück auf den November in den Jahren 1938 und 1998. |
Zwei Prozesse – zutiefst unterschiedlicher Natur und
Intention – sind der Inhalt der beiden Ereignisse:
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Am 7. November 1938 verübt Herschel Grünspan ein Attentat auf Ernst vom
Rath, dem Legationssekretär der deutschen Botschaft in Paris. |
Am 7. November 1998 lässt Johannes Angerbauer-Goldhoff 38 Menschen aus
Steyr, die das Schicksal einer Vertreibung erlitten haben, ihre Spuren auf
der Goldfläche hinterlassen, unter der ein Bild von Herschel Grünspan noch
unsichtbar ist. |
Am 9. November 1938 stirbt Vom Rath an den Folgen des Schuss-Attentats und
in der Nacht werden im Zuge des Pogroms reichsweit 400 Menschen ermordet
oder in den Selbstmord getrieben, über 1.400 Synagogen sowie tausende
jüdische Friedhöfe, Geschäfte und Wohnungen zerstört. |
Am 9. November 1998 wird mit zwei Schlägen – als Symbol für die damals und
heute Vertriebenen – die Glasscheibe zerbrochen. |
Am 10. November 1938 sollen die Pogrome laut Befehl bis 5:00 Uhr früh
beendet werden. In der Folge werden ca. 30.000 Juden in
Konzentrationslagern inhaftiert. |
Am 10. November 1998 wird um 5:00 Uhr früh die Audiodatei der
zerberstenden Glasscheibe im Internet online gestellt, um sich fortan
digital auszubreiten. |
Nach der Vergangenheit der Ereignisse und der Gegenwart des Kunstwerks ist
es nun an der Zeit über den Künstler zu sprechen. |
Johannes Angerbauer-Goldhoff ist heute aus sehr persönlichen und guten
Gründen nicht anwesend. |
Für ihn spricht sein Werk: |
KRISTALLTAG |
„Das vergangene Dunkel der Nacht vertreibende goldene Licht der Zukunft“ |
Johannes Angerbauer-Goldhoff
ist aufgewachsen mit Gold und lässt sich vom
Spannungsverhältnis zwischen dessen materiellen und immateriellen
Bedeutung inspirieren. |
Gold, dessen Gewinnung nur durch Ausbeutung und
Zerstörung von Mensch und Natur möglich ist, das meist mit Raub und Krieg
verbunden ist und somit Schuld in sich trägt,
bedeutet Verantwortung. Angerbauer-Goldhoff
lässt das materielle Gold mit „Füßen treten“ um es zu reinigen und der
Erde zurück zu geben. |
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Ebenso wie Gold hielt sich das nationalsozialistische Regime durch
Propaganda, falschen Schein, durch Gewalt, Ausbeutung und Vernichtung von
Leben an der Macht. |
Die Auseinandersetzung damit liegt für immer in unserer Verantwortung. |
Denn auch wie das Gold immer wieder geschmolzen und in neue Formen
gegossen werden kann, müssen wir wachsam sein, dass verbrecherische
Ideologien wie der Nationalsozialismus oder Faschismus nicht in neues
Gewand gekleidet wieder unser Leben bestimmen. |
In
diesem Sinne ist das NIE WIEDER unser Auftrag in unserem eigenen
demokratischen Interesse. |
Steyr ist dank des vielfältigen ehrenamtlichen
Engagements und des mittlerweile deutlichen politischen Willens
am besten Weg, sich als DENK-ORT zu
etablieren: |
Kristalltag in der Goldenen Rathauspassage |
u.v.m. |
Dies sind nur einige Orte, an denen wir in Steyr zu Denkanstößen angeregt
werden. |
Ganz im Sinne von Johannes Angerbauer-Goldhoff, der uns auffordert: |
„Reinigen Sie Ihr Bewusstsein von der Lüge der Reinheit, erkennen Sie die
Unreinheit des vom Menschen beschmutzten Goldes – überlegen Sie, ob Sie
moralisch in der Lage sind, dieses Gold zu seinem Ursprung zurückzuführen
und der Erde wieder zu geben, zu opfern. (…) Nicht die Quantität ist
entscheidend, sondern der Wille, dieses Gold zu opfern und nie wieder an
sich zu nehmen. (…) Erst durch diesen Prozess der Reinigung, der Rückkehr
zur Erde, kann das Gold wahrhaft zum Symbol innerer hoher Werte werden.
Visuell sichtbares Gold ist unrein. Unsichtbares, geläutertes Gold ist
rein.“ |
Zu guter Letzt möchte ich Johannes
Angerbauer-Goldhoff meine Stimme leihen, um seine persönlichen
Dankesworte auszusprechen: |
"Zuerst möchte ich mich bei den
38 Menschen
bedanken, deren traurige und berührende Schicksalsspuren für immer in
diesem Goldobjekt bewahrt bleiben und die Forderung des NIEMALS WIEDER
auch für zukünftige Generationen signalisieren. Ich werde mich mein Leben
lang an die Momente der Spurenspenden in den 17 Wohnungen erinnern. |
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Sie sollen hier
namenlos bleiben. Namenlos wie
das unaussprechliche Leid das sich in diesem Gold vereint hat. |
Für die Hinführung und Begleitung zu diesen
Wohnungen in Steyr, wie zum Kontakt in die Wiener Wohnung, bedanke ich
mich sehr bei Mag. Georg Neuhauser. |
Für die Unterstützung, seit Beginn der
Kristalltag Aktion im Jahr 1998 bis zur heutigen Enthüllung des
Kunstwerks, bedanke ich mich bei
Mag. Karl Ramsmaier sehr herzlich. Ohne ihn wäre dieses Projekt in der
aktuellen Erscheinung nicht realisierbar gewesen. Im gleichen Zuge gebührt
mein Dank natürlich auch dem
Mauthausen Komitee Steyr. |
Bei Frau
Mag. Theresa Fischer vom
Verein Artstation International möchte ich mich für die Begleitung und
Anknüpfung in Sachen Kristalltagobjekt in Wien, Sydney, Washington und New
York bedanken. |
Da das Projekt vom Kulturausschuss der Stadt
Steyr einstimmig genehmigt wurde möchte ich mich bei allen Mitgliedern des
Ausschusses hiermit sehr herzlich bedanken. Eine große Hoffnung
meinerseits wurde dadurch erfüllt. Auch wurde damit ein überparteiliches
Zeichen der Kunstoffenheit gesetzt. Besonders aber bedanke ich mich bei
Helga Feller-Höller und
Mag. Michaela Frech, die mich
von Anfang an diesbezüglich unterstützt haben. |
Bei Herrn
Dr. Hans Jörg Kaiser bedanke
ich mich für seine Unterstützung der Einbindung in die Rathauspassage. |
Mike Glück
sei für seine technische Expertise gedankt. |
Besonderer Dank gebührt den
Haupt-Sponsoren des Projekts: |
Ganz am Anfang, kam die erste Zusage von „SKF“. |
Als zweites kam in Form von Naturalsponsoring
für die Bausteine und den noch kommenden Infoflyer, die Steyrer
Werbegrafikagentur „Die Besorger“.
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Dann folgten das „Mauthausen
Komitee Österreich“, der „Nationalfonds
der Republik Österreich“ und die „Wiener
Städtische Versicherung“. |
Danke für das Sponsoring an den Restaurator und
Künstlerkollegen „Daniel Hilgert“
und an „Hayek Glasprojects“
für das Naturalsponsoring des edlen Sicherheitsglas Passepartouts.
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Kürzlich konnte ich mich über die
Naturalsponsoring Zusage für die noch kommenden Ehrentafel von der „Höheren
Fachschule für Kunst und Design“ in Steyr freuen. |
Es sind noch Sponsoranfragen ausständig, daher können die Ehrentafel
und der Infoflyer erst im Dezember realisiert werden. |
Zum Schluss möchte ich mich noch bei allen
Kristalltag-Baustein Käuferinnen
und Käufern herzlich bedanken. Der Baustein ist nicht als Spende zu
sehen. Er ist ein kleines Kunstwerk, das als nummeriertes und limitiertes
Unikat die Forderung des NIEMALS WIEDER in sich trägt und durch seinen
Besitzer mittels Bewegungsenergie immer wieder aktiviert
aber
auch vererbt werden kann. |
Danke für die Geschenke der Inspiration und des „Zufalls“ und an deren
treibende Kraft die dahinter steckt. |
Dir liebe Katrin, Danke für die Verlesung meiner Dankesworte und für
Deine Rede! |
Falls ich jemanden in meiner Dankesliste vergessen habe, bitte ich
dies zu verzeihen. |
Errare humanum est - Irren ist bekanntlich menschlich, besonders wenn es um Aurum geht." |
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Dir, lieber Johannes, herzlichen Dank für dein menschliches Feingefühl und
dein künstlerisches Gespür für visionäre Erinnerungsarbeit. |
Mit Kristalltag schenkst du Steyr einen essentiellen Baustein, auf den wir
alle sehr stolz sein können und der den Prozess des NIE WIEDER am Leben
erhalten wird. |
Vielen Dank. |
Mag. Katrin Auer |
Mag. Katrin Auer ist Kunsthistorikerin und Geschäftsführerin des Museum Arbeitswelt Steyr.
Zur Homepage des Museum Arbeitswelt |
Zur Rede als Audiodatei. Der feierliche Enthüllungsakt am 6. Nov. 2014 in einer 42minütigen Audiodokumentation |
Zur Projektseite des Kristalltag Objekts www.kristalltag.com |