Zurück zum Inhaltsverzeichnis der Magisterarbeit von Mag. Manuela Schmid
 

 
1. Einleitung
 
"Das Schöne an meiner Kunst ist die Wahrheit, die in ihr steckt!" (1)
 
Ende der achtziger Jahre wurde der oberösterreichische Goldschmied Johannes Angerbauer (Abb. 1) Teil der österreichischen Kunstszene. Er wandelte sich vom "Goldverarbeiter", der 1987 als letzte Auftragsarbeit einen "sensiblen Herrenring" anfertigte, zum "Goldsucher", für den die Zeit der Schmuckgestaltung damit endgültig abgeschlossen war.
 
 Johannes Angerbauer - Letzter Schmuck Ring 1989   Material:

900/000 Silber,
geschmiedeter Eisennagel,
Goldschmiedeleder,
Pelikan Siegellack (Innen)
Türkis (als Wunschstein des Auftragsgebers)

(Anm.: 1989)
 
Seinen spezifischen Kunstauftrag umreißt Angerbauer wie folgt: "Ich sehe es als meine Aufgabe, durch meine Arbeiten die Hintergründe des "göttlichen Metalls" aufzuzeigen, der Wahrheit zu helfen und damit für unzählige Menschen zu sprechen, die Opfer des Goldes geworden sind und die für dieses Metall ihr Leben gegeben haben." (2)
 
Angerbauer spürt dem Mythos Gold nach und deckt die vielschichtigen Beziehungen des Menschen mit dem in der Geschichte als göttlich und teuflisch genannten Edelmetall auf. Niemals zuvor wurde im Verlauf der Kunstgeschichte der Aspekt des menschlichen Leids im Gold gesehen. Er möchte den Menschen diese Idee nahebringen, bei ihnen durch künstlerische Handlungen einen Denkprozeß initiieren und Nachdenklichkeit auslösen. Der Weg dieser Menschen manifestiert sich in Angerbauers Objekten.
 
Für Angerbauer ist "Gold (...) das einzige Element, das die Möglichkeit in sich birgt, durch sein bloßes Erscheinen ein globales und transglobales Symbol menschlicher destruktiver Eigenschaften und menschlichen Leids zu sein." (3)
 
Wenn Johannes Angerbauer goldene Schwellen (Abb. 2) vor die Eingänge (...) legt, erheben sich so viele Fragen, daß (...) in diesem Zusammenhang auftauchende Gedanken kaum zu bewältigen (sind). Daß einer, um Hilfe zu bekommen (oder um Hilfe anzubieten), eine goldene Schwelle überschreiten muß, scheint (...) so grotesk widersprüchlich, daß (man) am liebsten sofort wieder zu denken aufhören möchte.(...). Der Zwang sei angenommen, das Denken möge beginnen. Goldene Schwelle als Begriff täuscht, denn golden ist die Schwelle ja nur bis zu dem Moment, in dem sie jemand betritt. Das Gold ist so aufgelegt, daß es schon mit einem einzigen kräftigen Auftreten abgerieben wird. Das Gold ist also der Abnützung durch Benützung, dem Verschwinden durch Kontakt preisgegeben, der Vernichtung letztendlich." (4) Hier liegt der von Angerbauer beabsichtigte Beginn eines sozialen Prozesses.
 
Ziel dieser Arbeit ist es, diesen jahrelangen Entwicklungsprozeß im Verlauf seines künstlerisch-biographischen Weges vorzustellen und zu erläutern.
 
Es wird ein zeitgenössischer Künstler vorgestellt, dessen Lebenslauf im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit seinem Thema, dem "Mythos des Goldes", verschiedene Wendepunkte und künstlerische Phasen aufweist. Die Definitionen zum Begriff des Goldes, wie sie Angerbauer in seinem Werk versteht, werden erörtert. Dabei wird abschließend ein Vergleich mit Beuys und Klein, insbesondere im Hinblick auf die soziale Komponente und die spezifische Materialverwendung gezogen.
 
Weiterhin soll eine Bewertung der künstlerischen Aktivitäten von Johannes Angerbauer vorgenommen werden und sein Stellenwert als zeitgenössischer und eigenständiger Künstler lokalisiert werden.
 
Grundlage der hier vorgelegten Arbeit sind die mit Johannes Angerbauer geführten Interviews vor Ort in Steyr, Österreich, aktuelle Informationen aus seiner Homepage, E-Mail Austausch, seine Tagebuchführung im Internet, Prozeßdokumentationen des Künstlers selbst sowie Zeitungsartikel und die Auswertung von Sekundärliteratur.
 
 
 
Weiter  >   2. Der Goldbegriff in seiner Mehrdeutigkeit
 
(1) Angerbauer, Johannes 1998a (zit. in Oberösterreichische Nachrichten 1998)
(2) Angerbauer 1988
(3) Angerbauer 1994
(4) Tolar, Günter 1996