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3. Motivation und moralischer Impuls
 
Bei der Charakterisierung konzeptioneller Kriterien von Kunstwerken, die sich mit Gold befassen, interessiert die primäre Motivation der jeweiligen künstlerischen Umsetzung.
 
"Nicht die äußere Form der Objekte oder der Ablauf der Handlungen sind für mich wesentlich, es ist die Tatsache der Handlung - der Rückkehr zum Ursprung - der Entzug des Sichtbaren und der daraus resultierenden symbolischen Reinigung des durch menschliche destruktive Eigenschaften seit über 5.000 Jahren immer wieder verunreinigten Goldes, welche für mich von Bedeutung ist. Gold ist das einzige Element, das die Möglichkeit in sich trägt, durch bloßes Erscheinen ein globales Symbol menschlicher, destruktiver Eigenschaft zu werden."(18)
 
"Sichtbares Gold nimmt die Form an, die ihm die Ausbeutung seiner Vorkommen gibt. Gold wird Geld als Produkt der Machtausübung von Menschen über Mensch und Natur. Es ist von Sklaven, Lohnabhängigen und betrogenen Diggern geschürftes, von Konquistadoren geplündertes, Ermordeten entrissenes, den Toten geraubtes Zeichen ökonomisch-politischer Herrschaft, militärischer Grausamkeit und Barbarei, durch den Handel zur Ware gewordenes, gegen Zeit und Energie getauschtes Objekt oberflächlichen Nutz- und Besitzdenkens: Unwert durch Gier, Gewalt und Zerstörung, ans Haben veräußertes Sein, Unwert als Warenwert. In der wertvollen Form seiner Rückkehr zur Erde gewinnt das Gold mit der ursprünglichen Unsichtbarkeit und Verborgenheit seinen wahren Wert wieder. Als Opfer an die Erde wird es gereinigt und reinigt Bewußtsein und Seele des handelnden und miterlebenden Menschen. Angerbauers Aktionen und Objekte wandeln Gold um zum durchschaubaren Medium der Wert und Unwert begründenden Prozesse. Geld-Gold als Gift der Erde, minimal dosiert in sie versenkt, wird zum homöopathischen Heilmittel. Gelb-Gold als Zeichen und Ziel alchemistischer Transformation von Unwert in Wert." (19) Angerbauer geht daher vom Gold aus und will die Menschen durch den "Mythos Gold" zu einem tieferen Bewußtsein ihrer selbst führen.
 
In jedem Stück Gold, das die Menschen besitzen, ist als Folge der immerwährenden menschlichen Verfehlungen und der daraus folgenden Ver- und Umschmelzungsprozesse tatsächlich blutiges, unreines Gold enthalten. Gold wird aus Gier gestohlen, in Kriegen erbeutet, aus Gräbern geraubt, aus den Zähnen ermordeter KZ-Häftlinge gebrochen und von den Fingern der Opfer gezogen.(20) Die Beute wird eingeschmolzen, gereinigt, neu verarbeitet, um später als "Bruchgold" in einem ständigen Kreislauf, erneut eingeschmolzen, gereinigt und wieder neu verarbeitet zu werden. "Das Umschmelzen von Gold ist das älteste Recyclingverfahren der Menschheit (ca. 5.700 Jahre). Es wird mittels Quecksilber und Natriumzyanid gewonnen und zerstört dabei Mensch und Natur." (21)
 
In jedem Barren Gold, der Besitz darstellt, in jedem Schmuckstück, mit dem Liebe geschenkt wird, in jedem Stück Gold, das in Kirchen oder Tempeln die Ehrfurcht vor dem Heiligen versinnbildlichen soll, in allem Gold, das man gewöhnlich nur an der Oberfläche wahrnimmt, verbergen sich nach Angerbauer Leid, Blut und Gewalt. Darüber hinaus ist für ihn das Gold nur in der Erde ursprünglich rein, unsichtbar, als unberührtes Element. Durch die Berührung mit dem Menschen wird es unrein. Für ihn ist der Reinigungsprozeß des Goldes zugleich Verunreinigung: "Gold wird mit Blut und Gift gereinigt".
 
Menschen schinden sich und werden geschunden, um aus schlammigen Erdlöchern und kilometertiefen Stollen reines Gold zu gewinnen (Abb. 5). Giftiges, tödlich wirkendes Quecksilber und Natriumzyanid befreien es von reiner Erde, verseuchen die Flüsse und töten Pflanzen, Tiere und Menschen. Giftige Dämpfe und Abwasser lassen reines Gold zurück.
 
Angerbauer stellte sich in seiner Anfangsphase verstärkt die Frage, wie man dieses "unreine" Material aus Liebe schenken und wie man es als Symbol für das Heiligste verwenden kann.
 
Hier bewegt sich Angerbauer mit der Verwendung von Gold auf einer Gratwanderung, weil er sich selbst dieses Materials bedient. Durch den Versuch, dieses Leid in seinem Kunstweg aufzuarbeiten und zu mindern, erreicht er jedoch eine höhere Bewußtseinsebene.
 
In einem ersten öffentlichen Aufruf von 1990 zur "Rückkehr des Goldes zur Erde" versuchte Angerbauer, diesen sozialen Gedanken der Gesellschaft zu vermitteln:
 
"Reinigen Sie ihr Bewußtsein von der Lüge der Reinheit, erkennen Sie die Unreinheit des vom Menschen beschmutzten Goldes - überlegen Sie, ob Sie moralisch in der Lage sind, dieses Gold zu seinem Ursprung zurückzuführen und der Erde wiederzugeben, zu opfern. Suchen Sie einen Platz in der Natur, der Ihnen ans Herz gewachsen ist, an dem Sie die Reinheit des Ursprungs fühlen können. Versenken Sie dort Gold - einen Dukaten, ein kleines Schmuckstück. Nicht die Quantität ist entscheidend, sondern der Wille, dieses Gold zu opfern und nie wieder an sich zu nehmen - und erleben Sie Ihre persönliche Rückkehr des Goldes zur Erde. Sie werden sehen, wie dieses versenkte Gold in Ihren Gedanken und Gefühlen aktiv wird. Dieses gereinigte Gold wird zum Symbol der menschlichen Verfehlungen, an die es Sie erinnern wird. Es appelliert ständig, wenn Sie Gold sehen, an Ihre Fähigkeit, sich des Leids und der Gewalt, die durch Gier und Aggression entstehen, bewußt zu sein. Es führt Ihnen Ihre eigene materielle Abhängigkeit und Ihre Verstrickung in den Goldkreislauf von Gier, Mißtrauen und Zweifel vor Augen, gibt Ihnen aber auch durch seine von Ihnen selbst bestimmte Unverfügbarkeit die Chance, diesen Kreislauf zu überwinden und sich innerlich zu reinigen. Erst durch diesen Prozeß der Reinigung, der Rückkehr zur Erde, kann das Gold wahrhaft zum Symbol innerer hoher Werte werden. Visuell sichtbares Gold ist unrein. Unsichtbares, geläutertes Gold ist rein."(22)
 
In dem Moment, in dem man die Wahrheit erkannt hat, woher das Gold ursprünglich kommt, regt es zum Nachdenken an. Zu diesem Zeitpunkt ist es nicht mehr materiell. Es löst etwas Positives im Menschen aus. Angerbauer sagt, "daß diese Nachdenklichkeit menschliche Wärme erzeugt, es kommt etwas zurück. Gold hat eine Aura und verbindet sich mit der des Betrachters. Die seelische Verfassung ist variabel. Mal wirkt es kalt, mal warm."(23)
 
Angerbauer geht nun einen Schritt weiter. Das Erkennen des menschlichen Leids im Gold ist zu wenig, wenn man es nur in künstlerischer Form behandelt. "Es muß sich in greifbarer Energie aufmachen".(24) "Das Leid an der Ressource des Goldes wird durch die soziale Kunst das menschliche Leid in der Gesellschaft lindern."(25)
 
Diese Weiterentwicklung des Goldbegriffes in seiner Mehrdeutigkeit und mit seiner sozialen Komponente im Kunstprozeß Johannes Angerbauers wird im folgenden an seinem biographisch-künstlerischen Weg und den unterschiedlichen Phasen erläutert.
 
 
 
 
 
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(18) Angerbauer 1989, S.3
(19) Steinbock Friedrich 1990, S.3
(20) Auch in der Gegenwart, z.B. im Kosovo-Krieg geschieht wieder das gleiche "Ritual"
(21) Angerbauer 1994, S. 4
(22) Angerbauer, 1990, S. 2
(23) Angerbauer 1999a (zit. im persönlichen Interview 1999)
(24) Angerbauer 1999b (zit. im persönlichen Interview 1999)
(25) Angerbauer Internetdokumentaion 1.