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4. Biografisch-künstlerischer Weg
 
4.4.2. Erste Goldversenkungsphase in Form von Synergieobjekten im  T.A.-Organismus (ab 1989)
 
4.4.2.1. Definition Synergieobjekte
 
Nach der Siegellackphase schuf Angerbauer, den Weg mit Blick auf die T.A.- Chronologie immer deutlicher vor Augen, Synergieobjekte.
 
Die erste Handlung wurde als T.A.0189 am 4. März 1989, in Enns, Österreich, unter notarieller Aufsicht in Anwesenheit eines kleinen Personenkreises in einer Notariatskanzlei vollzogen.
 
"(...) T.A. steht für Tellaura Anachtonismos. Die (nun) darauffolgende Zahlenkombination zeigt durch die letzten beiden Zahlen das Entstehungs- bzw. Durchführungsjahr auf. Vor dieser Jahreszahl steht die fortlaufende Zahl, welche mit 1 beginnend, die Anzahl der Versenkungen (Handlungen) aufzeigt. Vor dieser Zahl steht die (...) 0, welche erst zur 1 umgewandelt wird, wenn der erste 1 kg Feingoldbarren in die Erde versenkt worden ist und sein Monument bzw. Mahnmal errichtet wurde. Auch diese Zahl ist fortlaufend."(39)
 
Das im Zug dieser Handlung geschaffene Objekt wurde von Angerbauer als Synergieobjekt bezeichnet. "Synergie" definiert der Duden als: "Energie, die für den Zusammenhalt und die gemeinsame Erfüllung von Aufgaben zur Verfügung steht." Synergieobjekte sind so als plastische Arbeiten zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit einen Synergieeffekt auf den gesamten T.A.-Organismus ausstrahlen. Ein wesentliches Merkmal eines Synergieobjekts ist sein Erscheinen in Form einer Plastik oder Skulptur mit einem, dem Visuellen entzogenen, goldenen Kern. Die Versenkung bzw. das Verbergen des Goldes im Objekt fand immer im Beisein eines Notars statt. Die Existenz des unsichtbaren Goldkerns spiegelte sich als sichtbare materielle Wahrheit in Form einer notariellen Beglaubigung wieder. Objekt und Notariatsurkunde bilden eine Einheit.
 
4.4.2.2. Werkbeschreibung T.A.0189
 
Um ein Synergieobjekt zu erläutern, wurde die folgende T.A.Handlung ausgewählt, ein Ritual in einer Notariatskanzlei mit dem Ziel der Versenkung von Gold als Rückkehr zur Erde (40):
 
Tellaura Anachtonismos, T.A.0189 (Abb. 10), 150 cm x 250 cm x 33 cm x 7 cm Materialien: 2 weiße Balken, 3 Baustelleneimer halb mit Beton gefüllt, 1 Spitzschaufel. Roter Pelikan Siegellack, Siegelschnur, Lederschnur, Blattgold. 3 Golddukaten, 1 Barren Blei, 3 welke Birkenblätter, die jeweils mit einem rostigen Nagel durchbohrt sind. Enns, Österreich, 4. März 1989
 
Ein weißer Balken mit den Maßen 150 cm x 33 cm x 7 cm liegt auf dem Boden. Auf die Mitte des Balkens genau ausgerichtet steht ein alter schmutziger, halb mit Beton gefüllter Baustelleneimer. Dieser im Mittelpunkt befindliche Eimer wird links und rechts von zwei unbenutzten Baustelleneimern umrahmt, die ebenfalls zur Hälfte mit Beton gefüllt sind.
 
In der Mitte dieses Balkens wird, um 90 Grad gedreht, ein weiterer weißer Balken montiert, der aus drei Abschnitten besteht und die Maße 250 cm x 33 cm x 7 cm, aufweist. Im untersten Bereich dieses Balkens sind zweimal drei geschmiedete Nägel eingeschlagen. Über diesen Nagelpaaren ist im Abstand von 33 cm eine Spitzschaufel angebracht, deren Schaufelblatt von Beton und Mörtel verschmutzt ist. Der untere Rand der Schaufel ist teilweise blattvergoldet, teilweise in kleinen Abständen blank gelassen worden.
 
Während die Handlung beginnt, schüttet Angerbauer Beton aus dem linken Baustelleneimer in den mittleren. Dem Notar werden die drei Golddukaten überreicht und er wird gebeten, diese in die Mitte des von Angerbauer bereits halb mit Beton gefüllten Baustelleneimers zu legen. Anschließend nimmt Angerbauer die drei welken Birkenblätter, durchbohrt sie mit den rostigen Nägeln und legt sie zu den Golddukaten. Dann wird um dieses Arrangement von Golddukaten und nageldurchbohrten Birkenblättern ein Lederband gelegt. Der Notar wird aufgefordert, eine Siegelschnur um die mit den Nägeln durchbohrten Birkenblätter und die Golddukaten zu legen. Lederschnur und Siegelschnur hängen über den Rand des Eimers hinaus.
 
Anschließend erhitzt Angerbauer roten Siegellack mit dem Gasbrenner, so daß dieser in den Eimer auf die dort liegenden Golddukaten, Blätter, Nägel, Leder- und Siegellackschnur tropft, bis alle Gegenstände mit Siegellack überdeckt sind. Der Künstler erläutert dabei: "Ich verbinde nunmehr die Wahrheit, die Natur, die Gewalt und das Leben mit blutrotem Siegellack."(41) Danach schüttet Angerbauer den Beton des rechten Eimers auf die mit Siegellack verdeckten Gegenstände. Die Schnüre werden dabei vom Notar festgehalten und ragen aus der Mitte des nun fast mit Beton gefüllten Eimers heraus.
 
Als letzter Vorgang schneidet Angerbauer aus einer am Boden liegenden Rettungsdecke zwei ca. 5 cm x 5 cm große Vierecke aus und legt sie auf den Bleibarren, der nach der Handlung neben dem mittleren Eimer arrangiert wird. Angerbauer nimmt die aus dem Eimer heraushängende Lederschnur und legt diese auf die ausgeschnittenen Vierecke auf den Bleibarren und schmilzt Siegellack darüber. Dabei schmilzt das darunter liegende Viereck. Angerbauer erklärt: "Die Rettungsdecke schmilzt und dadurch wird die Isolierung zur Erde aufgehoben."(42) Dann drückt er sein Siegel auf den Siegellack, der die Lederschnur mit dem Bleibarren verbindet.
 
Abschließend wird die aus dem Eimer noch herausragende Siegelschnur auf das verbliebene Viereck des Bleibarrens gelegt und ebenfalls Siegellack darüber geschmolzen. Die Rettungsdecke schmilzt wieder. Der Notar wird aufgefordert, nun seinen Amtssiegel auf den geschmolzenen Siegellack zu drücken.
 
Angerbauer: " Der Bleiblock ist jetzt mit dem Zentrum des Kübels und mit dem goldenen Inhalt durch die Schnüre und die darauf angebrachten Siegel verbunden. Die zweimal drei Nägel, die in dem senkrecht aufgerichteten Balken eingeschlagen sind, bleiben unberührt. (...). Die Spitze der Schaufel zeigt symbolisch in das goldene Zentrum des Kübels. Zement, aus der Erde gewonnen, durch Feuer erhitzt, mit Wasser und Sand vermischt, an der Luft getrocknet, beschützt das goldene Zentrum. Die zwei Schnüre verbinden den finsteren Kern mit dem Tageslicht und zeugen vom Vorhandensein eines goldenen Geheimnisses."(43)
 
Die versenkten Gegenstände werden zum goldenen Zentrum, zum Kern der Wahrheit. In den drei Golddukaten befindet sich die menschliche Wahrheit. Woher stammt das Gold der Münzen? Wem ist es entrissen worden? Welches Leid steckt in ihnen? Die Antwort bleibt anonym, aber der Kern, das Leid bleibt wahr. Wie oft ist dieses Gold transformiert bzw. wiedergewonnen worden, bevor es diese Form angenommen hat? Dieses transformierte Gold besitzt daher einen negativen Wert. Es ist unrein. Elementare Reinheit besitzt das Gold nur in der Tiefe der Erde, wo es noch unberührt ist. Mit dem Augenblick, wo es entdeckt und gewaschen wird, wird die Reinheit aufgehoben. Die Menschen, die es aus der Tiefe gefördert haben, es fördern und noch fördern werden, sind die ersten Leidtragenden und beginnen damit einen sich ständig wiederholenden Kreislauf. Die unendliche Transformation und der Kampf um das Gold beginnt. Erst in der symbolischen Form und im Bewußtsein der Wahrheit gewinnt das Gold bei seiner Rückkehr in die Erde in der ursprünglichen Unsichtbarkeit und Verborgenheit seinen wahren Wert wieder.
 
Jede Versenkung, Rückführung bzw. Wiedergeburt des Goldes wird fortlaufend gekennzeichnet.(44)
 
Die Synergieobjekte leiten mit ihrem goldenen Kern die sich anschließende Phase der "Goldminenbilder" ein. Dabei wird der "goldene Kern" der Synergieobjekte noch weiterentwickelt, indem das gesamte Werk nicht nur inhaltlich, sondern räumlich fokussiert und damit insgesamt auch verkleinert wird.
 
 
 
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(39) Angerbauer Internetdokumentation 3.
(40) Angerbauer Internetdokumentation 4.
(41) ebd.
(42) ebd.
(43) ebd.
(44) vgl. T.A. Chronologie im Anhang