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4. Biografisch-künstlerischer Weg
 
4.4.5.2. T.A.05699 Margareta 
 
Das jüngste Beispiel einer T.A.Verknüpfung ist die "T.A.05699 Margareta". Eine Hommage an das Margaretenfenster der Stiftskirche Ardagger.
 
Ort: Niederösterreich, Stift Ardagger, Pfarrkirche zur Heiligen Margareta,
      im Hochchor unter dem Deckenfresko "Margareta wird mit Haken zerfleischt".
 
Als am 3. Mai 1999 Angerbauer einen Gesprächstermin in der Kunststation Kollmitzberg, Österreich, wahrzunehmen hatte, stieß er auf dem Weg dorthin auf ein Hinweisschild zum Kulturprojekt "Die Säulen von Ardagger". Er folgte der Wegweisung, besuchte die Pfarrkirche Ardagger und war zutiefst beeindruckt. Dies zeigen seine folgenden Ausführungen auszugsweise aus dem Internet:(70)
 
"Ein golden strahlender Seitenaltar, eine Pieta, ein Schwert im Gold waren meine ersten Eindrücke. Gold, Leid und Schmerz des christlichen Bildwerks ließen mich wieder an meine Arbeit mit dem Goldbegriff denken. (...).Meine nächsten Schritte führten mich zum Hochchor. Der Hochaltar, das goldene Tabernakel, darüber der gekreuzigte Christus vor einem schönen Kirchenfenster ließen mich verweilen. Seitlich vier große Ölgemälde. Leben, Tod und Verherrlichung Jesu. Mein Blick richtete sich nach oben. Ich erschauderte" (Abb. 27).
 
 "Eine weibliche Heiligenfigur im Zentrum des Deckenfreskos. An Stangen befestigte Haken bohren sich in ihre freigelegten Brüste. Schergen ziehen beiderseits an diesen Marterwerkzeugen. Zerfleischung, Enthauptung, die Qual dieser Darstellung im Angesicht des goldenen Hochaltars löste in mir vielfältige Gedanken an meine Arbeit aus. Mensch, Gold, Leid und Reinigung. Eine vergangene Arbeit, die T.A.03996, realisiert 1996 in den Frauenhäusern Linz, Wels und Steyr, ging mir wieder durch den Sinn. Zentrales Thema dieser Arbeit war aktuelle Gewalt gegen Frauen wie die Verstümmelung an Millionen von Frauen in den Ländern der Dritten Welt."
 
Im Gespräch mit der Leiterin der Kunststation Kollmitzberg erzählte Angerbauer von seinem Kirchenbesuch in Ardagger, wobei sie einen zu dem damaligen Zeitpunkt stattfindenden Wettbewerb zu Ehren des Margaretenfensters der Pfarrkirche erwähnte.
 
In den nächsten Tagen kam Angerbauer das Bild der gequälten Margareta im Fresko des Hochchors immer wieder in den Sinn. "Historische, christliche Märtyrerdarstellung, das Margaretenfenster als romanisches Kunstwerk und deren zeitgenössisch, aktuelle Reflexion in Thematik und Material ließ die Idee zur T.A.Margareta reifen. Nach einem weiteren Gespräch reichte Angerbauer sein Konzept zur T.A.Margareta ein.
 
Am Sonntag, den 13. Juni 1999, war die Idee der "T.A.Margareta" als 13. Minenfeld der 56. Handlung - "T.A.05699" - fixiert. Das Konzept gliedert sich in drei Teile: Zuerst die Schaffung des fehlenden 15. Medaillons in 16 Teilen, anschließend die Einbeziehung der regionalen Bevölkerung in einen Gestaltungsprozeß und anschließend die überregionale Linderung menschlichen Leids im Sinne der Projektidee.
"Die Märtyrerlegende der Heiligen Margareta von Antiochien wird ausführlich in der bekanntesten Legendensammlung des 13. Jahrhunderts, der ‚Legenda aurea‘ des Jakobus de Voragine beschrieben. Die ‚Goldene Legende‘ ist ein erster Hinweis auf Gold und Zeit, Kunst und Wahrheit.
 
Im romanischen Margaretenfenster der ehemaligen Stifts- und heutigen Pfarrkirche befinden sich 15 Kreismedaillons (Abb. 28) und die "Stifterscheibe". Insgesamt bilden also 16 Medaillons das mittelalterliche Fenster. Das 15. Medaillon ging verloren und soll nun künstlerisch adäquat ersetzt werden." (74)
 
Es sind insgesamt 16 Objekte. Die äußere Form der 16 Objekte bestimmt das den Gestaltungsprozeß und die Kunstidee tragende Element: quadratisches Blattgold. Das Material des Bildträgers bestimmt das vorgegebene Thema Margaretenfenster:  Glas (250 cm x 250 cm x 5 mm Einscheibensicherheitsglas).
 
Ein gelbes Quadrat als Ausgangsform (Abb. 28), im Zentrum der Glasscheibe eine freie Kreisfläche. Den Kreis vertikal teilend werden die 14 digital bearbeiteten und paarweise angeordneten Medaillons das gelbe Quadrat mit dem Goldkreis verbinden. Der so geschaffene Bildinhalt wird auf die 16 Einscheibensicherheitsglasobjekte aufgebracht. 4 x 4 Minen bilden das goldene Minenfeld.
 
Ziel war es auch, die regionale Bevölkerung in den Gestaltungsprozeß einzubeziehen. Daher wurde das aus 16 Einzelfeldern mit der Größe von 25 cm x 25 cm bestehende und im 4 x 4 Raster angeordnete, goldene Minenfeld im Eingangsbereich der Kirche installiert. Zur Bischofsmesse anläßlich des Margaretenfestes haben Kirchenbesucher am Sonntag, den 25. Juli 1999, ihre Spuren hinterlassen und so eine goldene Spiegelfläche geschaffen. Durch die dabei stattfindende Erosion des "Übergolds"(75) wurden feine Partikel des Blattgolds im Raum verteilt. Diese ersichtlichen Goldflocken streuen sich aus und werden "molekular" der Erde zurückgegeben. Gleichzeitig wird der Bildinhalt unter der Vergoldung partiell sichtbar.
 
Nach Beendigung des Gestaltungsprozesses, dem Beschreiten der goldenen Felder, wird die Installation abgebaut. Die so entstandenen 16 Einzelobjekte mit den Spuren derer, die über sie hinweggegangen sind, werden hinter Sicherheitsglas konserviert. Die nun zu Wandobjekten und im Licht aufgerichteten goldenen Felder sollen als Symbol der goldenen Wahrheit und Gemeinsamkeit ihre Plätze in den Wohnungen der Menschen finden.
 
Der Abschluß des Projekts ist die überregionale Linderung menschlichen Leids. Mit dem Kauf eines jeden goldenen Objekts ist als vollendende Spur die Linderung menschlichen Leids konzeptionell verbunden. Jeder Käufer wird so zum Mitgestalter im sozialen Bereich. In diesem konkreten Fall soll
ein Teil des Erlöses der Institution Medica Mondiale (76) in Köln zugute kommen. Medica Mondiale umfaßt medizinische, psychotherapeutische, psychosoziale Betreuung und Zufluchtsstätte kriegstraumatisierter Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten. Aktuelles Hilfsprojekt von Medica Mondiale ist zum Beispiel "Medica Kosova". Es bedeutet Soforthilfe für Flüchtlingsfrauen in Albanien.
 
Angerbauer setzt hier sein Preisgeld von 15.000 öS ein und spendet "Medica Kosova" direkt. Für die 16 entstandenen Wandobjekte sollen jeweils pro goldenes Wandobjekt 4.000 öS des Gesamtbetrages vom Käufer für die Umsetzung von "Medica Kosova" gespendet werden. Dies ist die soziale Vollendung der T.A.05699, die nun in einer energetischen Verbindung zu der T.A.03996 Frauenhaus steht.
"Ausstrahlend vom Hochchor der Pfarrkirche des Stifts Ardagger kann so durch die Bevölkerung der Gemeinde ein überregional ausstrahlendes goldenes Zeitzeichen der Menschlichkeit und Kunstaufgeschlossenheit gesetzt werden. (...) Als erweiternde Informationsebene wird eine das Projekt kontinuierlich begleitende Prozeßdokumentation im Internet die global zugängliche Betrachtung der einzelnen Projektschritte ermöglichen. Eine daraus entstehende, sich auch zukünftig ständig erweiternde Formgebung der Hilfe für Folteropfer wäre vorstellbar und im Sinne der Inspiration ausdrücklich wünschenswert." (77)
 
 
 
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4.4.5.1. Minenfelder OÖ Frauenhäuser  < Zurück     
 
(70) Angerbauer Internetdokumentaion 6.
(71) ebd.
(72) Bei der Vernissage, am 24.06.1999, in der Kunststation Kollmitzberg, wo noch bis zum 28. August die Beiträge zum Wettbewerb "Hommage an das Margaretenfenster" gezeigt werden, teilte sich Angerbauers Konzept der T.A. Margareta den ersten Preis mit einer Arbeit von Rosemarie König. Die mit dieser Auszeichnung verbundene Teilprämie von 15.000 öS, gestiftet von einem Unternehmen, nimmt Angerbauer zum Anlaß, das Fundament für eine durch Kunst geschaffene schmerzlindernde Formgebung zu legen.
(73) Angerbauer Internetdokumentation 7.
(74) ebd.
(75) Übergold: Neue Vergoldungstechnik (Anm.: Begriff und Technik von Johannes Angerbauer 1998). Bei dieser Technik wird das Blattgold auf einem Vergoldergrund überlappend (Abb. 29) aufgetragen. Die goldblättchen werden angeworfen und mittels Fingerdruck von links unten nach rechts oben gepreßt. Ein strahlenförmig ausgeflächerter Duktus erscheint. Das herkömmliche anschließende Ausbessern und Polieren entfällt. Das Blattgold bleibt so in seiner "Materialehrlichkeit" bewahrt. Die nun matte Oberfläche wird hoch sensibel. Durch das Überlappen richten sich die Blattgoldblättchen auf. wird Druck auf die Goldfläche ausgeübt, verdichtet sich das Blattgold zu einer Spiegelffläche.
(76) Medica Mondiale. Es begann 1993 in Bosnien-Herzegowina. Angesichts der systematischen Vergewaltigung von Tausenden Frauen im Krieg, beschloß die Kölner Gynäkologin Dr. Monika Hauser direkte Hilfe vor Ort zu leisten. Medica Zenica ist ein im Programm von Medica Mondiale multiethnisches Projekt. Im Frauentherapiezentrum, mitten im Krieg, arbeiteten kroatische, serbische, bosnische Frauen und muslimische Bosnierinnen gemeinsam. Dieses Miteinander ist neben dem ganzheitlichen und interdisziplinären Ansatz bis heute eine wesentliche Grundlage des Projektes. Die 65 bosnischen Ärztinnen, Psychologinen, Erzieherinnen und andere Fachfrauen bieten den Flüchtlingsfrauen und ihren Kindern professionelle Unterstützung und entwickeln mit ihnen neue Lebensperspektiven.
(77) Angerbauer Internetdokumentatio 7.
 
 
Projektdokumentation im Archiv:    www.socialgold.com/D/archiv/Margareta/index.html