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Inhaltsverzeichnis der Magisterarbeit von Mag.
Manuela Schmid |
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4. Biografisch-künstlerischer Weg |
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4.4.6.2. Werkbeschreibung der T.A.04597 KultAnschluß
(Anm.: 2011 umbenannt in "Goldene
Empore") |
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T.A.04597 - KultAnschluß |
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Ort: Empore im Design Center Linz, Europaplatz 1 |
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Zeit: 1. bis 7. (9.) Oktober 1997 |
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Art: Environment/Aktion |
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Vernissage und Gestaltungszeit von 9 Tagen wurde erstmalig life im
Internet übertragen |
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Material: |
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32 Tonnen Sicherheitsglas = 4.000 Stk. Einscheibensicherheitsglas (66 cm x
96 cm x 0,5 cm) |
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220.000 Blatt = 23karätiges Blattgold (Dukaten-Doppel-Gold) 80 mm x 80 mm. |
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4 Tonnen Edelstahlrahmen = Edelstahlprofil gebürstet, geschweißt und
verschliffen, 20 mm x 15 mm, 2.000 Stk. á 2 kg, Siebdruck: Weiß, 2.000 Siebe, 2.000 Drucke, Litho: 2.000 x digitale Bildbearbeitung und Filme |
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Ein Kopfstand (Abb. 30) eines Vernissagebesuchers, eines
Goldschmiedekollegen, auf den goldenen Feldern des Environments der T.A.01994 (Abb. 31)
löste in Angerbauer am 22.04.1994 die Inspiration zu der T.A. KultAnschluß aus. Dieser
Kopfstand war als eine Gebärde des "Lustigmachens" über die im Gold verborgene
Wahrheit und das Leid der Menschheit gedacht. |
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Foto: A.S. |
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Das Bild entstand kurz nach dem Kopfstand und zeigt sich als Geste
zur Demütigung der Bildinhalte, die aus zwei vervielfältigten Themen bestehen (Abb. 31):
Eine Gruppe von Kindern in Häftlingskleidung hinter Stacheldraht auf ihrem Weg ins
Konzentrationslager und dem nackten Leichnam eines ermordeten Goldsuchers im
Yanomami-Gebiet. (82) |
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Angerbauer verließ tief betroffen die Vernissage und der Gedanke
durchfuhr ihn, daß er einen Bildinhalt schaffen müßte, der die Menschen
gleichberechtigt symbolisch verbinden müßte. Mit welchen Mitteln der Kunst läßt sich
eine solche Gleichberechtigung herstellen? Angerbauer entschied sich, das
oberösterreichische "Telefonbuch als Symbol für alphabetische Gleichberechtigung,
Kommunikation und digitale Vernetzung zu benutzen (Abb. 32). Es steht als prozeßbildender
Treibstoff für Kunst und deren Evolution im sozialen Feld." (83) Die Idee der
T.A.KultAnschluß war geboren. |
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"Der Weg, den auch Johannes Angerbauer beschreitet, ist der Weg
des Verbindens. Nicht er ist der Künstler, der Kunstwerke schafft. Er ist der
Katalysator, der Kunstwerke ermöglicht. Die wahren Künstler sind die Menschen, die seine
Minen und Schwellen betreten, die ihre Spuren hinterlassen, die an der goldenen
Oberfläche kratzen, die so gemeinsam nach Wahrheit suchen und dabei Skulpturen
bilden." (84) |
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Als Bildträger dienen 5 mm starke und 66 cm x 96 cm große
Sicherheits-glasscheiben (Abb. 32), die nach Ende der Gestaltungsfrist in einer Glasfabrik
mit einer zweiten Sicherheitsglasscheibe zu Goldverbundsicherheitsglas versiegelt werden.
(85) Die zwischen den Sicherheitsglasscheiben konservierte Goldfläche bildet den goldenen
Kern, der die konservierten Spuren des menschlichen Weges sowie den die Ursprungsidee des
menschlichen eingeschmolzenen Leids vollziehenden Prozeß beinhaltet. Abschließend werden
die Kanten mit einem Gummiprofil geschützt und in Edelstahlrahmen geschweißt. Die
verletzbaren Glaskanten sind somit geschützt. Die dabei angewandte Kombinationstechnik
ist eine Neuentwicklung. |
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Den Bildinhalt (Abb. 32) bilden die Namensverzeichnisse der vier
amtlichen Telefonbücher Oberösterreichs. 1996/97 sind dies 584.000 Eintragungen auf
1.973 Seiten, die mittels Siebdruck auf die Bildträger aufgebracht sind. Die hinter
diesen Eintragungen stehenden Menschen sind mit ihren Namen tragender und gestaltgebender
Teil dieses Kunstwerkes. Drei Städte und 445 Gemeinden - ein ganzes Bundesland - werden
erstmals durch ein Kunstprojekt miteinander verbunden. Es ist bislang von der Dimension
her das größte Projekt Angerbauers. |
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Auf 1.300 m² entstanden insgesamt 1.973 goldene Gestaltungsfelder
(Abb. 33). Ein Team von sechs "Goldminenarbeitern", überwiegend Goldschmiede,
vergolden die Bildträger mit 8 cm x 8 cm großen Goldblättchen unter Verwendung von
zahlreichen Wundpflastern. Für sie ist es eine Vergoldungsarbeit mit der Erkenntnis um
das im Gold eingeschmolzene Leid und dem Wissen, daß ihre unter großer Anstrengung
geschaffene Arbeit von unzähligen Menschen "mit Füßen getreten" werden wird.
In diesem Schritt des Auftragens der Goldblättchen liegt bereits ein erstes
Spannungsverhältnis von Material und Aktion. Das Blattgold ist von subtilster
Eigenschaft. Ein einziger Windhauch oder Fingerabdruck zerstört irreparabel das
Goldblättchen. Dieses anfällige Blättchen wird radikal der Zerstörung ausgesetzt und
mit Füßen getreten, verletzt und zerstört. Es entsteht das ambivalente Bild von
Zerstörung und Schönheit. Würde der Rezipient die Gelegenheit erhalten, ein
Goldblättchen im Rohzustand anfassen zu können, würde sich sein Bewußtsein für das
Material und die dahinter stehende Idee vertiefen. Diese im Element Gold liegende
Polarität wird von Angerbauer mit seinen künstlerischen Mitteln umgesetzt und zieht sich
vielschichtig durch sein ganzes Werk. |
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Das mit den Bildinhalten bedruckte Sicherheitsglas wird mittels
eines neuen 1994 in Deutschland entwickelten, transparenten Vergoldungsgrundes grundiert.
Erstmals ist in dieser T.A.KultAnschluß von Angerbauer eine wasserfeste, spiegelnde
Hochglanzvergoldungstechnik verwendet worden. Danach folgt das Auftragen, Anpressen und
Polieren des Blattgoldes. |
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Die gesamte 1.300 m² große Fläche der Empore im Linzer Design
Center, erstrahlt golden (Abb. 35). Die goldenen Bodenfelder bilden durch die
Hochglanzvergoldungstechnik eine tragende Spiegelfläche für den menschlichen Weg und den
darin liegenden wahren Gestaltungsprozeß. Wie ein Spiegel tragen die goldenen Felder die
Menschen, halten ihnen zugleich den Spiegel vor, führen die Aufmerksamkeit des
Betrachters auf ihn selbst zurück und regen zum Nachdenken an. Alles und jeder spiegelt
sich wieder und wieder. Das Umfeld, die Decke aus Glasfenstern (Abb. 36) und die gläserne
Balustrade wurden dabei gezielt ausgewählt. "Das Glas steht hier in konzeptionellem
Zusammenhang mit dem den Aktionsort umgebenden gläsernen Gewölbe und weist als
prozeßtragendes Medium auf eine elementare Spannung." (86) |
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Das Environment ist für Angerbauer von wesentlicher Bedeutung. So
wie sich die Goldflocken in das Unendliche ausbreiten, so sollen sich auf diesem Weg durch
die Fensterscheiben auch die menschlichen Gedanken und das neue Bewußtsein ausstreuen.
Durch die Transparenz des Umfeldes ist dies möglich und wird vom Künstler als eine
symbolische Ausstreuung gefordert. Dies bedeutet, daß die goldenen Felder sich so über
die Grenzen des Umfeldes hinaus in die Unendlichkeit ausdehnen, so wie sich auch das
Bewußtsein des Rezipienten global über die Environmentgrenzen hinweg ausbreiten soll. |
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Der Ort, das Kunstumfeld und das Wissen bilden eine einmalige Aura, in die
der Rezipient in den Mittelpunkt rückt. |
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Die Idee der Transparenz und Entmaterialisierung wird durch das
Material der Bildträger noch weiter intensiviert. Der Bildträger wird durch die
Verwendung von Glas so weit wie möglich aufgelöst und stellt den Prozeß als tragendes
Element im Vordergrund dar. Das Material Glas ist nun im Gegensatz zu den früher
verwendeten Materialien Holz und Eisen sehr leicht aufzulösen, denn es bietet völlige
Transparenz. |
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Das verwendete Material Glas schafft ein Spannungsverhältnis. Das
Glas in seiner Durchsichtigkeit stellt das Nichtgreifbare dar, aber ebenso besitzt es die
Eigenschaft, daß etwas hindurchstrahlen kann, z.B. die Gedanken und die
Bewußtseinserweiterung über das Gold. In dieser Form wird das Element in seiner
Eigenschaft doch wieder greifbar. |
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Ausgangspunkt dieser T.A. war der Gedanke, daß der Mensch das
Wesentliche ist. Angerbauer hat einen Bildinhalt geschaffen, der die Menschen sowohl auf
künstlerischer als auch auf zwischenmenschlicher Ebene verbinden soll. |
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Mit Beginn der Vernissage haben sich die Menschen dergestalt
miteinander verbunden, daß sie gemeinsam ihre persönlichen Spuren (Abb. 37) auf der
goldenen Fläche hinterlassen haben. Dabei entstanden im Miteinander der Menschen
Kunstwerke, indem sie sich zusammenfanden, um nach ihren Namen zu suchen, die entweder
unter der goldenen Oberfläche noch verborgen oder bereits von anderen bewußt oder
unbewußt aufgedeckt worden waren. Die Suche nach dem ewigen Glück bzw. die
Selbstfindungssuche nach dem eigenen Ich ist Ausdruck unseres heutigen
"Rubbelloszeitalters". Auf der 1.300 m² großen Fläche entstanden nebenbei
zwischenmenschliche Beziehungen auf einer neuen Bewußtseinsebene im Wissen um das im Gold
eingeschmolzene Leid. |
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Am 7. Oktober 1997 wurde die Gestaltungsfläche abgebaut und die
einzelnen goldenen Bodenfelder wurden mit der zweiten Sicherheitsglasscheibe verbunden.
Die menschlichen Spuren und Wege sind nun zwischen den zwei Sicherheitsglasscheiben im
"goldenen Kern" konserviert. Anschließend wurde jedes einzelne goldene
Bodenfeld in einen Edelstahlrahmen eingeschweißt. |
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Die abgebauten, konservierten und eingeschweißten goldenen
Bodenfelder wandeln sich nach Einlagerung und Verkauf zu Objekten, die als aufgerichtete
Wandobjekte betrachtet werden können. Bei ihnen stellt sich ein neues polares
Erscheinungsbild von ein und dem gleichen Objekt dar. Die Spiegelfläche und die
Transparenz des gläsernen Bildträgers vermischen sich zu zwei Anschauungsweisen und
Bedeutungen. |
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Je nachdem wie das Licht auf die goldene Spiegelfläche fällt,
zeigen sich zwei Sichtweisen. Wird das Licht von hinten auf die Goldfläche projiziert,
wird sie hinterleuchtet und es treten die menschlichen Spuren in den Vordergrund. Die
Spuren zeigen sich vermischt mit dem Bildinhalt als eine grünlich-grafisch wirkende
Struktur. Bei diesem Lichteinfall tritt das Gold als künstlerisches Mittel in den
Hintergrund. Hier zeigt sich der ursprünglich ideelle-immaterielle Teil des Goldbegriffs.
Die Spuren sind die beschriebenen Wege, die sich hier im Vordergründigen manifestieren. |
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Fällt das Licht dagegen frontal auf die goldene Fläche, treten die
menschlichen Spuren und die Bildinhalte in den Hintergrund und es zeigt sich eine
blendende und strahlende Spiegelfläche. Bei diesem Lichteinfall steht der materielle und
blendende Teil des Goldbegriffs im Vordergrund. Im übertragenen Sinne könnte man auch
sagen, daß man sich geblendet vom grellen "goldenen Schein" über die Wahrheit
hinwegtäuscht. |
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Über diese zwei Betrachtungsweisen bzw. Erscheinungsbilder hinaus lassen
sich noch weitere Aspekte finden. Die Ansicht der Spiegelfläche wechselt
vom materiellem zum ideellen Teil des Goldes. Die im Gold befindlichen
Spuren zeigen ebenfalls eine weitere Wechselhaftigkeit: Der festgehaltene
Augenblick zeigt Flüchtigkeit und Dauerhaftigkeit zugleich. Das Werk
bewahrt sie und schafft Zusammenhang zwischen Zufall und Vollendung,
Vergangenheit und Gegenwart. |
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Nach Ablauf der Gestaltungsfrist und der Konservierung erfolgt die
wichtige Phase des formgebenden Abschlusses des Gestaltungsprozesses. "Die Spende ist
als die eigentliche vollendende Spur der formgebende Abschluß...,"(87) und wird einem
Sozialprojekt oder einer karitativen Institution übergeben. "Als neutrales
Instrument, welches sich nicht als Konkurrenz zu den bestehenden karitativen
Institutionen, sondern als Drehscheibe für unschlüssige Spender und für die
Verteilung von Spenden an die (Institutionen) versteht, gründete sich im Anschluß an
diese T.A.KultAnschluß, wie bereits erwähnt der Verein, "T.Acht - Humanitäre
Gesellschaft zur Linderung menschlichen Leids".(88) Dieses Kunstprojekt der
T.A.KultAnschluß ließ durch den sozialen Anteil eines jeden Objektes für Angerbauer ein
"soziales Feld" entstehen. Die einzelnen Wandobjekte werden sich durch diesen
sozialen Anteil energetisch miteinander verbinden. Die fast 2.000 Kunstobjekte sind als
"Kondensationskerne für Gedanken und Gefühle" entstanden und stehen außerdem
durch die Spenden des Käufers in positiver Verbindung miteinander. |
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Bis heute finden in ganz Österreich Ausstellungen statt, die
permanent mit sozialen Aktionen verbunden sind. |
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Am 18. November 1998 wurde bereits im sozialen Bereich mit 600.000
öS die Formgebung (89) der T.A.KultAnschluß überschritten. "Der materielle Goldaspekt
verschmilzt mit dem immateriellen im sozialen Bereich. "Kunst kann und darf nicht dazu da sein, materielle Werte zu
transportieren. Kunst muß im menschlichen Bereich ihre wahren Werte zeigen und etwas
bewegen."(90) Hier befindet sich Angerbauer wieder auf einer Gratwanderung, denn
einerseits muß sich seine Kunst auf dem materiellen Sektor bewegen, um andererseits auch
im sozialen Bereich sich entfalten zu können. Es stellt sich wieder die Frage von
Wertnehmen und Wertgeben. Dennoch wird mittels künstlerischer Umsetzung das über den
Zeitraum von 5.000 Jahren im Gold eingeschmolzene Leid helfen, aktuelles Leid zu lindern
und "bildet das Gegengewicht zur Entstehung menschlichen Leids durch die Ressource
Gold."(91) Ein Kreislauf hat sich auf diese Weise wieder geschlossen. |
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4.4.6.3.
T.A.04998 Interventionskunst |
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4.4.6.
Die Globalisierungsphase
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(82) Angerbauer Internetdokumetation 9. |
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(83) Angerbauer Internetdokumetation 10. |
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(84) Himmelbauer, Leopold 1995,
S. 5 |
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(85) Die Konservierung erfolgt durch ein Terostat Alu-Fixband. Es ist ein
im Bereich von 30 Grad C bis + 80 Grad C flexibles, dampfdichtes
Selbstklebeband auf Butylkautschuk-Basis, kaschiert mit einer
kunststoffbeschichteten Aluminiumfolie. |
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(86) Angerbauer Internetdokumetation 10. |
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(87) Angerbauer Internetdokumetation 11. |
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(88) Angerbauer 1997b, S. 4 |
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(89) Bis zum Jahr 2003 sollen es 13 Mio. öS sein. |
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(90) Angerbauer Internetdokumetation 12. |
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(91) Oberösterreichische Nachrichten 1998 |
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Projektseite:
www.goldeneempore.com |
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